Der Stadtrat hat den Haushalt 2023 verabschiedet – Lesen Sie die Rede des SPD-Fraktionsvorsitzenden Janann Safi.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
was ist das Gegenteil von Mut?
Jedenfalls nicht Angst. Sie ist ein Teil von Mut. Denn Mut bedeutet: trotz Angst, anzupacken, etwas zu gestalten und zu handeln. Mut für die Menschen in dieser Stadt. Mut in schwierigen Zeiten.
Dazu braucht man die Fähigkeit zu handeln. Die bewahren wir in diesem Haushalt. Wir stellen uns der Verantwortung. Wir stellen uns der finanziellen Realität. Die Kämmerei hat im Finanzausschuss deutlich gemacht, wie schwer und unwägbar die Zeiten sein werden. Auch die IHK kommt zu einer Einschätzung, die uns auf das Schlimmste gefasst machen sollte. Das bedeutet, umso verantwortungsvoller mit dem Geld umzugehen. Und genau das tut dieser Haushaltsantrag. Er ist durchgerechnet und seriös finanziert.
Für uns stehen die Menschen im Mittelpunkt. Die Familien, Eltern, Kinder und Jugendlichen. Sie sind nicht nur die Zukunft der Stadt, sondern der Schlüssel dazu. Wir als Sozialdemokratie stehen für eine Politik, die genau diese Menschen in den Blick nimmt. Für eine Politik, die in Lösungen investiert, um Probleme zu lösen.
Es ist gesellschaftliche Realität, dass jedes dritte Kind in Mönchengladbach in Armut aufwächst. Diese Realität braucht eine Politik, die sie verändern will. Was glauben wir eigentlich, was diese Kinder während der Ferien oder in ihrer Freizeit machen? Während andere Kinder in den Urlaub fliegen, bleiben tausende Kinder zuhause. Das konnten wir in den letzten Jahren z.T. durch Förderprogramme abfedern. Aber wenn diese auslaufen: Was passiert dann? Deshalb werden wir selber eine Ferienfreizeit auf den Weg bringen. Kein Kind muss die Sommerferien ohne andere Kinder oder Programme, Spaß und Aktivität verbringen. So schaffen wir einen echten Meilenstein für soziale Teilhabe.
Auch die Betreuungssituation haben wir im Blick: Mit 20 OGS-Angeboten pro Jahr – also 10 mehr als ursprünglich jährlich geplant – gehen wir in die Offensive. All das ist notwendig, um Eltern den ersehnten Betreuungsplatz zu ermöglichen. Denn machen wir uns nichts vor: Die Frage nach Betreuungsplätzen ist für die Lebensgestaltung vieler Familien eine entscheidende Frage. Doch nicht nur bei der Betreuung, sondern auch bei anderen Problemlagen haben wir Frauen und Familien im Blick. Mit pro familia stärken wir einen Träger, der Außerordentliches leistet, wie eine vielfältige Familienberatung, eine Schwangerschaftskonfliktberatung und auch Sexualberatung.
Ein wichtiges Angebot in der Stadt, dass wir mit unserem Zuschuss auch in Zukunft erhalten und stärken wollen.
Stärken wollen wir auch Anlaufstellen für eine komplexe Problemlage: Mediensucht. Gerade in der Corona-Pandemie hat das mediale Konsumverhalten deutlich zugenommen. Kinder haben in immer jüngeren Jahren schon Kontakt zu Medien. Das Suchtpotential ist dabei enorm. Und genau hier wollen wir ansetzen: mit einer Anlaufstelle für Eltern und Kinder, die präventive Maßnahmen sowie Behandlungsangebote umfasst. Familien sollen eine feste Struktur haben, auf die sie sich verlassen können. Eine Maßnahme, die Eltern und Kindern hilft. Das tun wir auch bei der Frage, wie Freizeit ohne Konsumzwang verbracht werden kann. Die Armut der Eltern schlägt auf die Kinder durch – ein Kinobesuch oder mal ein Eis sind für viele Familien nicht leistbar. Deshalb steht auch in diesem Haushalt mehr als eine halbe Million Euro für Spielplätze und Spielgeräte zur Verfügung.
Die Bedürfnisse von Familien, Eltern und Kindern sind vielfältig. Dementsprechend sind es unsere Ansätze auch. Die strukturellen Herausforderungen in der Stadt bekämpfen wir mit vielfältigen passgenauen Maßnahmen. Wir reden in Mönchengladbach von rund 40.000 Menschen, die in und um Bedarfsgemeinschaften leben. Gucken wir uns die Zahlen konkret an, wird klar: Jedes zweite Kind unter 15 Jahren in Rheydt gilt als arm oder armutsgefährdet. Das kann zu mangelnder Teilhabe in der Gesellschaft und in der Bildung führen. Vorhandene Mittel, die den Kindern für Unterricht und Freizeit zustehen, um Teilhabe zu ermöglichen, werden nicht abgerufen. Deshalb schaffen wir eine Anlaufstelle. Wir setzen dabei den Schwerpunkt in Rheydt und helfen Familien. Wir helfen bei Anträgen. Wir helfen bei der Organisation. Wir helfen bei allem, was nötig ist, damit bei den Kindern das Geld ankommt, das ihnen zusteht.
Man kann behaupten, dass das keine Strategie sei. Aber man kann es nicht belegen. Denn genau diese Menschen im Blick zu haben, zeichnet unsere Politik aus. Von jung bis alt, Frau und Mann, egal welche Hautfarbe – alle haben einen Platz in der Stadt. Alle brauchen einen Platz in der Stadt. Wir schaffen mehr soziale Teilhabe und sorgen auch für Ordnung.
Bereits im letzten Haushalt haben wir die Stellen beim KOS deutlich aufgestockt. In diesem Haushalt gehen wir den nächsten Schritt und schaffen die Grundlage für etwas Historisches: Zum ersten Mal seit der Einführung des KOS hat dieser den Standard erreicht, um die Dienstzeiten adäquat abzudecken.
Das bedeutet für die Menschen in dieser Stadt: bessere Erreichbarkeit, schnellere Einsätze und mehr Ordnung. Als Bündnis sind wir sehr froh, dass wir die Maßnahmen umsetzen konnten. Aber nicht nur das Ordnungsamt, sondern auch die Rettungsdienste werden mit dem Bau der beiden Rettungswachen zukunftsfest aufgestellt. Und auch die Feuerwehrmänner und Feuerwehrfrauen sind für uns ein unerlässlicher Teil der öffentlichen Ordnung. Sie haben während der Pandemie viel geleistet und tun dies in diesen schwierigen Zeiten auch weiterhin tagtäglich. Wir wissen nicht, was kommen wird. Wir sollten uns aber immer stetig verbessern, wenn es um den Erhalt kritischer Infrastruktur geht. Deshalb stellen wir 1,6 Millionen Euro für ein Katastrophenschutzlager ein. Und zwar nicht, weil akute Gefahr für Leib und Leben besteht, sondern weil wir uns verbessern wollen. Wir wollen die Stadt noch krisenfester machen. Wir wollen noch handlungsfähiger sein. Und wir laden alle Fraktionen ein, sich dem anzuschließen. Denn gemeinsame Verbesserungen für den Ernstfall voranzubringen, ist das richtige Zeichen an die Menschen. Geschlossenheit in Krisenzeiten.
Meine Damen und Herren,
Angst ist nicht das Gegenteil von Mut. Aber Angst ist ein Teil davon.
Und Furcht zu haben ist in Ordnung. Auch in der Politik. Ich habe auch Furcht vor dem, was in der Welt geschieht. Der russische Angriffskrieg hat eine „Zeitenwende“ ausgelöst. Die Energiepreise setzen vielen zu. Die Baukostensteigerung und die Zinsentwicklung tun ihr übriges. Allein im Wohnungsbau brechen 70% der Bauprojekte laut Bundesverband der Deutschen Wohnungswirtschaft ein. Das geht leider auch nicht an Mönchengladbach vorbei. Auch fürchte ich um die finanziellen Folgen für uns.
Weil ich auch befürchte, dass die CDU-geführte Landesregierung ihren Kampf gegen die Kommunen nahtlos weiterführt. Keine Hilfen, sondern weniger Zuweisungen. Keine Hilfen, sondern mehr Schulden. Anstatt den Schuldenberg zu senken, wird er vergrößert und verlängert. Wo man nur kann, lässt man Großstädte alleine. Aber uns wird nicht nur Hilfe verwehrt. Sondern es werden auch leere Versprechungen gemacht. Wo ist der Altschuldenfonds? Wo ist unser Schuldenschnitt? Wo ist die Chance auf einen Neuanfang? Richtig, in den Händen von Frau Scharrenbach. Also bei der CDU. Und damit ist die Chance 5 Jahre vor Ende der Wahlperiode bereits erneut tot.
Sie müssen also verstehen, dass man bei dieser Politik schon mal um die Zukunft seiner Heimatstadt fürchten muss. Aber Angst haben und Angst machen sind zwei verschiedene Dinge. Mut zu haben und Mut zu machen auch. Wir wollen keine Angst machen. Wir wollen insbesondere den Menschen keine Angst machen. Gerade den besonders schutzbedürftigen Gruppen nicht. Ihnen müssen wir strukturelle Verbesserungen ermöglichen.
Nehmen wir das Thema Obdachlosigkeit: Die Diakonie stellt die medizinische Betreuung auch in Zukunft sicher. Das ist gut. Und wir werden uns dem Thema strukturell annehmen. Dabei wird es nicht um ein Projekt gehen, sondern um die zentrale Frage: Wie kann ich die Situation an der Heinrich-Sturm-Straße und wie kann ich die Situation am Tellmannplatz verändern. Dazu haben wir einen Antrag. Dazu haben wir ein Verfahren. Dazu haben wir eine Idee. Dazu haben wir die Träger. Dazu haben wir das Ehrenamt an unserer Seite. Und dazu werden wir eine Lösung präsentieren: – fachlich, abgestimmt, praxisnah und passgenau. Darauf können Sie sich verlassen. Und wenn wir in ein paar Monaten diese strukturellen Verbesserungen beschließen, werde ich Sie fragen: Erinnern sie sich noch an diese Berichte? Darauf, meine Damen und Herren, können Sie sich verlassen. Und vor allem die Menschen können sich drauf verlassen.
Aber sprechen wir mal weniger über das Verlassen, sondern über Verlässlichkeit. Die Opposition war in der Vergangenheit mal eine Alternative zur Regierung. Davon hat sich die größte Ratsfraktion in zwei Jahren so weit entfernt, dass manche Angriffe schon fast traurig anmuten. Das Kümmerliche, was sie Oppositionsarbeit nennen, haben wir in den Haushaltsberatungen bewundern können. Und man muss ihnen eins lassen: Sie haben uns gut unterhalten. Das Versteckspiel um einen Haushaltsantrag hätte uns fast zum Lachen gebracht, wenn es nicht so traurig gewesen wäre. Aber werfen doch mal einen Blick darauf:
Kein Haushaltsantrag in den Bezirksvertretungen und Fachausschüssen. In manchen Wortbeiträgen schwafeln sie nebulös von Ideen, die sie haben. Bis auf eine kümmerliche und halbfertige Excel-Liste im Schulausschuss, lag bis zum Finanzausschuss nichts vor. Man muss sich das mal vorstellen: Als größte Fraktion im Rat bekommt die CDU fast 240.000€, um für 272.000 Menschen Politik zu machen und kriegt nicht mal einen Haushaltsantrag hin. Sie nennen das vielleicht Opposition, wir nennen das Arbeitsverweigerung.
Vielleicht ist es in Wahrheit auch Angst. Angst vor der Debatte. Aber keine Sorge: Furcht zu haben, ist auch in der Politik in Ordnung – die einen befürchten die Konsequenzen einer CDU-geführten Landesregierung in Sorge um unsere finanzielle Zukunft; die anderen fürchten sich vor einer demokratischen Beratung mit der Ampel in Ausschüssen und Bezirksvertretungen.
Und wir hätten uns gerne in jeder BV und jedem Ausschuss einer Diskussion gestellt. Unsere Beratungen haben wir so strukturiert, dass wir zur ersten BV-Sitzung fertig sind, um mit ihnen zu debattieren. Aber Sie kriegen sich selbst nicht koordiniert. Naja, in Wahrheit wissen wir doch alle, was los ist. Was haben die letzte Beratung und diese gemeinsam? Richtig, sie haben uns SPD nicht mehr an ihrer Seite. Keine SPD, die ihre Schwächen kaschiert. Ohne die SPD ist die CDU nicht mal in der Lage, einen finanzierbaren und seriösen Haushaltsantrag einzureichen. Und das als größte Fraktion im Rat.
Man muss sich aber schon fragen, wo die Ursachen dafür liegen. Man spürt nämlich nicht nur, dass sie den demokratischen Auftrag als Opposition nicht nur nicht wahrnehmen, sondern in Wahrheit beleidigt sind. Beleidigt, weil die Wähler sie nicht gewählt haben. Beleidigt, weil nicht die CDU, sondern die SPD an der Stadtspitze vertreten ist.
Beleidigt, weil sie nicht Teil der Mehrheit sind. Beleidigt, weil ihnen doch eigentlich dieser Platz gebührt.
Vielleicht, weil sie wirklich glauben, dass ihnen die Stadt gehört?
Und damit schließe ich an das an, was ich in der letzten Haushaltsrede leider nur zu Protokoll geben konnte. Wir wollen und werden die Stadt weiter an den Menschen orientieren. Diesen gehört die Stadt. Dafür braucht MG kein +, sondern eine Politik mit den Menschen im Mittelpunkt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
zum Schluss bleibt mir nichts anderes zu sagen, als der Verwaltung für die geleistete Arbeit – und mit Blick auf den Haushalt, natürlich insbesondere der Kämmerei – für die Unterstützung zu danken. Man merkt deutlich, wie eine Strategie mit sozialem Kern in dem Haushaltsentwurf eingebettet wurde. Wir haben als Mehrheit unseren Teil dazu beigetragen.
Und genau deshalb stehen wir hier mit einem mutigen und besonnen Haushaltsantrag. Wir verschließen die Augen nicht vor der Realität. Wir haben die Kinder im Blick. Wir haben Familien im Blick. Wir haben die Eltern im Blick. Das war im letzten Haushalt so. Das ist in diesem Haushalt so. Gerade weil wir wissen, wie schwer die Probleme sind. Weil die Mönchengladbacher Sozialdemokratie den Anspruch hat, genau diese Strukturen zu verändern. Weil wir in diesem Bündnis den Anspruch haben, unsere Stadt für die Menschen zu verändern. Stück für Stück. Antrag für Antrag. Haushalt für Haushalt.
Und blicken wir in die Zukunft, freue ich mich. Auf die Kinder, die einen anderen Sommer haben werden. Kinder, die Geld für Sportvereine oder Instrumente haben werden. Eine Umwelt, die mehr Beachtung findet. Schülerinnen und Schüler, die ihre gewünschte Schulform besuchen können. Familien, die den ersehnten Betreuungsplatz bekommen werden.
Und wir laden alle ein, an unserer Vision für die Stadt – nein, für die Menschen in dieser Stadt – zu folgen und gemeinsam zu gestalten.